Flaschen-Ansichten 16
ne Blütezeit. Diese Handelsvereinigung wur-
de durch innere Probleme und Kriege im Ost-
see-Raum im 15. Jh. entscheidend ge-
schwächt. Der 30-jährige Krieg (1618-1648)
brachte die völlige Auflösung. Mit diesem
Krieg fiel dann Vieles wieder in die "dunkle
Zeit" zurück.
Als Folge des 30-jährigen Krieges, der insbe-
sondere die deutschen Lande verwüstet hat-
te, musste erst das Chaos und Elend, das er
hinterlassen hatte, überwunden werden. Die
Bevölkerung schöpfte langsam wieder Hoff-
nung. Felder, Wälder und auch Weinberge
wurden wieder hergerichtet. Handel und
Wandel entwickelten sich erneut. Die Han-
delswege wurden allmählich wieder benutz-
bar und in zunehmendem Maße gründeten
Kaufleute Handelshäuser.
Die älteste Weinhandlung in Deutschland
wurde von Carl Tesdorpf 1678 in der Hanse-
stadt Lübeck gegründet. Man belieferte die
preußischen Könige und den Kaiser, den Za-
renhof in St. Petersburg wie auch die skan-
dinavischen Königshöfe und viele weitere
Residenzen in Deutschland. Ein paar Häuser
von der Weinhandlung Tesdorpf entfernt
steht das Buddenbrook-Haus, in dem die
Großeltern von Thomas Mann wohnten.
Nach dem Tod seines Vaters 1891 wurde K.
Tesdorpf als Vormund des minderjährigen
Thomas Mann bestimmt. Eine weitere Wein-
handlung wurde 1853 durch H.F. von Melle
in Lübeck gegründet
Im Jahre 1806/07 eröffnete der Weinhändler
C.S. Trenck in Berlin eine Weinhandlung mit
Lokal. Die Kaufleute J.C. Lutter und A.F.
Wegner pachteten beides 1811. Das Lokal
war Stammkneipe von E.T.A. Hoffmann und
seinen Zechbrüdern. Als solches wurde es
zur Kulisse für die Oper "Hoffmanns Erzäh-
lungen" von Jacques Offenbach. Ein weiterer
Stammgast war der Hofschauspieler Ludwig
Devrient. Eines Abends nach der Aufführung
von "Heinrich IV" im benachbarten Königli-
chen Schauspielhaus soll er dem Kellner zu-
gerufen haben: "Bring er mir Sack, Schurke".
Devrient bezog sich offenbar auf den engli-
schen Begriff "Sack" für Sherry. Dem Kellner
war der Begriff nicht ganz klar und er brachte
Devrient vorsichtshalber Schaumwein, den
er dort normalerweise trank. Die Stammgäs-
te übernahmen daraufhin den Begriff "Sect".
Im Laufe der Zeit kamen weitere Stammgäs-
te hinzu: Otto von Bismarck, Prinz Friedrich
Wilhelm von Preußen. Wegen der hohen
Qualität der Produkte ernannte Kaiser Wil-
helm I 1851 Lutter & Wegner zum Hofliefer-
anten für den preußischen Adel.
Auch in dieser Zeit erinnerte man sich an die
gesundheitlichen Vorzüge des Weines und
man nutzt ihn für heilsame Zwecke. Als Bei-
spiel hierzu könnte man eine Statistik über
den medizinisch indizierten Weinverbrauch
im Elisabethen-Stift in Darmstadt aus 1871
anschauen: für knapp 800 Patienten wurden
in einem halben Jahr 6200 Flaschen Rot-
wein, 4600 Flaschen Weißwein, 350 Fla-
schen Portwein, 60 Flaschen Champagner
und etliche Flaschen Bordeaux verbraucht.
Wenn man sich nicht nur für den Inhalt der
Weinflasche interessiert, sondern auch für
das Äußere: also das Weinetikett, so er-
schließt das Sammeln -abgesehen von der
Geschichte des Weins- noch viele andere
Sachgebiete. Beispiele: Lagen- und Flurna-
men, deren Entstehung, geologische und kli-
matische Gegebenheiten, Rebsorten, Heral-
dik, Motive auf den Etiketten (Blumen, Tiere,
Burgen Kirchen, Brücken, Schiffe, usw.)
Das Kulturgut Wein begleitet den Menschen
seit der Frühzeit. Es ist spannend zu erfah-
ren, welche Aspekte, Ereignisse und Persön-
lichkeiten dem Interessierten im Zusammen-
hang mit der Weinkultur "kredenzt" werden.
Unser erster Bundespräsident Theodor
Heuss musste seine Reden noch selbst
schreiben und er wurde einmal gefragt, wie
viel Zeit er für eine bestimmte Rede benötigt
habe. Die Antwort: " Drei Viertele". Nun fra-
gen Sie nicht, wie viele "Viertele" dieser Arti-
kel "verschlungen" hat.